Interview
Peter Homfeldt

Im Interview

Peter Homfeldt

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Peter Homfeldt

Peter Homfeldt

  • Lehre zum Feinmechaniker von 1953 bis 1956 bei den Olympia Werken in Roffhausen
  • bis 1989 und somit 36 Jahre für Olympia gearbeitet
  • heute Rentner und betreut ehrenamtlich das Olympiamuseum des Heimatvereins Schortens

(Interview Peter Homfeldt vom 06. Mai 2022)

Jade HS: Wie kamen Sie zu der Ausbildung bei Olympia?

Homfeldt: Ich hatte die Volksschule beendet und es war von den Eltern angedacht, dass ich dort eine Lehre beginne, denn es gab eine Beziehung zu Olympia. Der Vater war hier schon als Elektriker beschäftigt und hat gesagt: „Bewerbe dich mal bei der Firma Olympia“. Olympia war bekannt dafür, gern Lehrlinge auszubilden, von denen Elternteile schon im Betrieb sind. Dann war sicher, dass sie morgens auch erschienen – da haben die Betriebsangehörigen schon für gesorgt. Eigentlich wollte ich ganz was anderes machen. Aber der Vater hat gesagt: „Lern erst mal etwas Ordentliches, bevor duirgendwelchen anderen Flausen hinterherläufst. Dann kannst du hinterher machen, was du willst“. Ich habe hier also Feinmechaniker werden müssen. Allerdings hat es mir irgendwann auch Spaß gemacht.

Jade HS: Was wollten Sie eigentlich machen?

Homfeldt: Ich habe Flausen im Kopf gehabt. Ich wollte Schornsteinfeger werden, ich wollte Zimmermann werden und ich wollte zur See fahren – in der Reihenfolge. Das waren die Wünsche eines 15-Jährigen.

Jade HS: Welches Image hatte Olympia denn damals als sie dort angefangen haben?

Homfeldt: Ein sehr gutes. Die Firma Olympia war der größte Industriebetrieb hier in Wilhelmshaven und Friesland. Sie hatte ein sehr gutes Image. Es ging in der Aufbauphase in den 50er-Jahren nur aufwärts. Das war das sogenannte Wirtschaftswunder. Es ging nur in eine Richtung und die Firma Olympia hat immer etwas besser bezahlt als die umliegenden, kleineren Betriebe. Die Firma hatte einen guten Ruf. Es war schon ein Privileg, hier arbeiten zu dürfen.

Jade HS: Welche Ansprüche hatte Olympia damals an sie als Ausbildungsbewerber? Wie konnten Sie die erfüllen oder herausstellen?

Homfeldt: Die Lehrlinge wurden erheblich überprüft. Einmal vom Intellekt her, aber auch von den Fähigkeiten. Es gab auch praktische Prüfungen. Für die Feinmechaniker lagen ungefähr 300 Bewerbungen vor. Es wurden aber nur 50 oder 60 eingestellt, da hat man schon gesiebt. Man hat nur die behalten, von denen man auch geglaubt hat, dass sie es machen können.

Jade HS: Sie haben dann 36 Jahre für Olympia gearbeitet. Könnten Sie Ihre Laufbahn kurz beschreiben?

Homfeldt: Das kann ich nicht kurz beschreiben, weil meine Laufbahn doch ziemlich lang war – 36 Jahre lang. Ich habe nach der Lehre als Mechaniker in einer Versuchswerkstatt hier bei Olympia weitergearbeitet. Die Lehrlinge sind damals alle übernommen worden und konnten weiterarbeiten. Das hat mir nur eine kurze Zeit gefallen und ich habe mich darum bemüht eine andere Arbeit zu bekommen. Der Betriebsleiter der Rechenmaschinenproduktion hatte was für mich gefunden, nämlich in seinem Vorzimmer. Dort habe ich für Rechengeräte, die in kleineren Stückzahlen liefen, ein spezielles Lager mit eigener Auftragsvergabe aufgebaut. Kleinere Stückzahlen konnten produziert und überwacht werden, sodass sie dann auch zur Verfügung standen, wenn sie gebraucht wurden. Das habe ich für eine relativ kurze Zeit gemacht. Danach habe ich an einer technischen Abendschule in Wilhelmshaven ein Studium angefangen. Als ich damit fertig war, bin ich in die Arbeitsvorbereitung gegangen und habe dort Kalkulationen für Konstruktion und Entwicklung gemacht. Ich habe mich laufend weitergebildet und mich dann von da irgendwann auf eigenen Wunsch in die Entwicklung Rechenmaschinen versetzen lassen. Dort habe ich eine gewisse Zeit konstruiert. Von da bin ich dann wieder abgeworben worden, in die Zentralabteilung Entwicklung. Dort habe ich Entwicklungsplanung und Steuerung für die verschiedenen Entwicklungsabteilungen gemacht. Ich habe die Vorgaben betreut und mit ausgearbeitet. Das habe ich etliche Jahre gemacht.
Olympia gehörte immer zur AEG. Die AEG hat Anfang der 70er-Jahre verlangt, dass ein bestimmtes Rationalisierungsverfahren aus den USA in den einzelnen Fabriken Einklang findet. Das hieß „Value Engineering“, auf Deutsch sagte man Wertanalyse. Dafür hatte man mich dann vorgesehen. Das war praktisch Projektmanagement. Man hatte sich bestimmte Rationalisierungsprojekt vorgenommen und diese ausgearbeitet. Bei diesem Verfahren ging es um einen festen Arbeitsplan und Teamwork. Ideenfindungsmethoden wurden eingesetzt, um ganz bestimmte, teure Elemente von Gerätekonstruktionen zu günstigeren Produktionsmöglichkeiten zu führen und damit Geld einzusparen. Das habe ich über zehn Jahre gemacht.
Als das mit der Firma Olympia schon Anfang der 80er-Jahre ein bisschen schwieriger wurde, wurde auch Personal abgebaut. Ich bin dann aus der Tätigkeit als Wertanalyseingenieur auf eigenen Wunsch wieder im Marketing gelandet.
Dort war ich für die Produktplanung verantwortlich. Als Abteilungsleiter war ich für die Planung von Schreibmaschinen verantwortlich. Diese Tätigkeit hat mir natürlich einen guten Einblick darin gegeben, was die Geschäftsleitung nun wirklich will. Schon Mitte der 80er-Jahre wurde deutlich, dass eine Weiterentwicklung auf dem Gebiet Schreiben gar nicht mehr gewollt war. Man hat gesehen, dass der Markt schwierig wurde. Das hat mich dann dazu bewogen, mich nach etwas neuem umzusehen. Daher bin ich 1989  bei der AEG Kleinmotorenfabrik in Oldenburg gelandet und habe dort den Rest meiner Arbeitszeit, bis 1996, verbracht. Das war mein Werdegang.
Meine Marketingzeit war Anfang bis Ende der Achtziger. Da bin ich öfter in Frankfurt gewesen, weil Olympia den gesamten Vertrieb ausgelagert hatte: Von Roffhausen nach Frankfurt zur AEG. Dadurch hatte ich natürlich öfter dort zu tun, aber immer nur kurzzeitig.

Jade HS: Olympia und AEG gehörten damals noch zusammen?

Homfeldt: Ja, das gehörte damals noch zusammen, befand sich aber bereits im Übergang. Die AEG war schon insolvent gegangen und wurde von Daimler übernommen. In diesem Übergang bin ich dann weggegangen. Die AEG in Oldenburg wurde nachher auch von Electrolux übernommen. Das ist dann auch so zerfieselt, sage ich jetzt mal so.

Jade HS: Sie hatten die Chance, sich bei Olympia weiterzubilden. War das was Besonderes? Haben viele Beschäftigte diese Chance bekommen?

Homfeldt: Die Chancen bekommen immer die, die sich dafür interessieren und sich melden und zeigen. Die, die still und leise sind, bleiben da, wo sie sind. Das ist immer der Fall. Ich habe mein Interesse immer kundgetan. Das ist Voraussetzung dafür, dass man weiterkommt. Ich sage immer gerne, man kann sein Schicksal ertragen oder erleiden, aber man kann es auch gestalten. Ich habe das Gestalten immer im Vordergrund gehabt.

Jade HS: Wie war denn so die gängige Laufbahn als Beschäftigte/r bei Olympia?

Homfeldt: Das war in jedem Berufszweig unterschiedlich. Wenn man weiterkommen wollte, musste man sich melden. Das war schon mein erster Schritt aus der Werkstatt raus, in das Vorzimmer des Betriebsleiters. Das ist nicht einfach so passiert. Er hat mich mal in ein Gespräch verwickelt, da ging es um ganz andere Sachen. Ich habe die Gelegenheit wahrgenommen und kundgetan, dass ich mir vorstellen könnte, nicht ständig am Schraubstock zu arbeiten, sondern mir auch eine andere Tätigkeit vorstellen könnte. Das hat er ein paar Wochen später zum Anlass genommen, mich zu dieser anderen Tätigkeiten einzuladen. Man muss sich schon Räuspern.

Jade HS: Waren Sie an der Entwicklung von Maschinen beteiligt?

Homfeldt: Ja, ich bin irgendwann auf eigenen Wunsch von der Arbeitsvorbereitung in die Entwicklung von Rechenmaschinen gekommen und habe an elektromechanischen Rechnern konstruiert. Da war Elektronik noch nicht angesagt.

Jade HS: Was für Aufgaben haben Sie besonders gerne gemacht?

Homfeldt: Alle. Das ist so. Ich habe mir das fast alles immer selbst ausgesucht, deswegen hat mir das auch Spaß gemacht. In der Regel ist das so gewesen: Wenn irgendwelche der Aufgaben, die ich hatte, zur Routine wurden, habe ich mich nach etwas anderem umgesehen. Das hat mir dann nicht mehr gereicht und mich nicht zufrieden gestellt. Ich war immer auf der Suche nach Herausforderungen und wenn sie nicht mehr da waren, habe ich mir etwas anderes gesucht.

Jade HS: Wie haben Sie allgemein die Arbeit bei Olympia empfunden. Wie war das Betriebsklima?

Homfeldt: Bereichernd. Es war immer gut. Hier war immer Bewegung, so kann ich das sagen. Das hat mir auch immer gefallen. Es war wichtig, dass immer Veränderungen sichtbar waren. Es war immer mal was Neues möglich. Das war schon interessant und wäre in einem kleineren Betrieb so gar nicht möglich gewesen.

Jade HS: Haben Sie eine besondere Erinnerung an ihre Arbeit bei Olympia?

Homfeldt: Besonders viel Spaß hat mir die Projektarbeit gemacht, die ich hinterher auch bei der AEG in Oldenburg noch sieben Jahre fortsetzen konnte. Da habe ich ausschließlich Projektmanagement gemacht, das hat mir gelegen. Das hat auch immer den Umgang mit vielen Menschen beinhaltet, das hat mir immer Spaß gemacht.
Es fängt damit an, dass Sie ein Projekt planen müssen. Dazu gehören Meilensteinpläne und eine richtige Projektierung der Aufgabe, die durchsichtig ist und auch von den anderen Beteiligten verstanden wird, die auch Teamwork nötig macht, weil man auf viele andere Möglichkeiten und Ressourcen zurückgreifen muss. Das zu koordinieren hat mir Spaß gemacht.

Jade HS: Warum sind die Maschinen heute noch relevant?

Homfeldt: Die sind nicht mehr relevant. Sonst wäre der Firma nicht das passiert, was passiert ist. Die technische Revolution mit den Mikroprozessoren brauchte nicht mehr so viele Arbeitskräfte. Das ist nicht nur der Firma Olympia als Büromaschinenfabrik passiert, sondern weltweit. Es sind damals ausschließlich alle Büromaschinenfirmen weltweit in die Insolvenz gegangen. Das passierte durch die Einführung von Mikroprozessoren und dem Ersatz von Mechanik durch die Mikroelektronik. Der Rückgang der Beschäftigten, den man erlebte, war einfach nicht steuerbar.

Jade HS: Wie haben sie Ihre letzten Jahre bei Olympia empfunden?

Homfeldt: Die wurden immer schwieriger, weil man sehen konnte und mitbekam, dass die Firma nicht mehr genug Geld verdiente, um zu überleben. Es wurde ständig irgendwo etwas verändert, zum Nachteil der Mitarbeiter. Es gab Rationalisierungen und Umorganisationen von vielen Gewerken. Das war schon schwierig. Es war nicht angenehm.

Jade HS: Möchten Sie noch etwas erzählen?

Homfeldt: Ich betreue hier jetzt immer noch Olympia-Projekte oder Objekte. Ich mache das gerne, weil ich vielen Leuten – auch denen, die hier mal gearbeitet haben – immer noch neue Sachen erzählen kann. Viele Mitarbeiter waren über Jahre und Jahrzehnte in den gleichen Tätigkeiten aktiv und kannten das ganze Umfeld des Unternehmens gar nicht. Darüber berichte ich, wenn ich hier 90 Jahre Olympia-Geschichte vermittle. Von 1903, als es bei der AEG in Berlin begonnen hat, bis 1993. Das mache ich gerne und durch meine vielen Aufgaben, die ich bei der Firma hatte, kann ich auch viel erzählen. Das kommt mir sehr entgegen. Ich möchte ganz gerne einen Nachfolger für diese Aufgabe fit machen, damit sie weitergemacht werden kann. Aber ich finde niemanden, weil es natürlich wenig Leute mit einem entsprechenden Hintergrund gibt. Das ist eine kleine Sorge, die ich habe. Sie kann auch dazu führen, dass es irgendwann nicht mehr so dargestellt werden kann wie jetzt.

Jade HSVielen Dank für das Interview.